Stellungnahme der KLB Passau zur Zukunft der Landwirtschaft (20.2.2016)
Als christliche Gruppierung setzen wir uns ein für soziale, ökonomische und ökologische Gerechtigkeit, bei uns und weltweit. Papst Franziskus weist in seiner Enzyklika „Laudato si“ darauf hin, dass die negativen Auswirkungen der gängigen Wachstumsideologie unsere Erde, unser „gemeinsames Haus“, wie es der Papst formuliert, gefährden. Der Landwirtschaft kommt eine wichtige Rolle und Verantwortung im Hinblick auf die Ernährung der Menschen und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu. Wir wollen mit diesem Papier zu einem offenen und konstruktiven Gespräch über eine zukunftsfähige Landwirtschaft einladen und erkennen alle Bemühungen an, die diesem Ziel dienen.
Unsere Sicht auf die Situation der Landwirtschaft
- Hohe Intensität
- Hoher Einsatz von externen Betriebsmitteln (z.B. Sojaimporte in die BRD, die ca. 2,5 Mio ha LN in Übersee beanspruchen)
- Stark schwankende Preise
- Die Strategie „produzieren für den Weltmarkt“ ist für die Teilnehmer äußerst riskant.
- Aktuell gibt es wieder den Ruf nach dem Staat; kurz vorher wurde der Wegfall der Marktbeschränkungen gut geheißen (Beispiel: Milchkontingentierung).
- Einsatz problematischer „Hilfsstoffe“ (z. B. hoher Einsatz von Antibiotika in derTierhaltung, Glyphosat, …)
- Teile der Landwirtschaft sind von der Agrarchemie abhängig.
- Der Prozess des „Wachsens und Weichens“ schreitet weiter voran.
- Landwirtschaft steht aus verschiedenen Richtungen unter Kritik (z. B. bestimmte Haltungs-formen von Nutztieren).
- Was uns Sorge macht
- Der Artenverlust
- Der N‑Überschuss ( durchschnittlich 100 kg/ha*; mit entsprechenden Auswirkungen auf Fließwasser Grundwasser und Atmosphäre)
- Die physische und psychische Belastung in vielen sogenannten „Zukunftsbetrieben“.
- Veränderungen der Kulturlandschaft (Grünlandumbruch, einseitige Fruchtfolgen…)
- Teilweise extreme Zuchtziele bei Nutztieren und Nutzpflanzen.
- Die Gefährdung der Fruchtbarkeit der Böden (Erosion; Bodenverdichtung, …)
- Eine hohe Treibhausgasbelastung (gesamt ca.130 Mio t CO2-Äquivalent** d. h. ca. = 13% der Gesamtbelastung in der BRD stammt aus der Landbewirtschaftung).
- Viele ungeklärte Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz von Agrarchemikalien und der Grünen Gentechnik. (Bsp.: In Frankreich ist Parkinson eine anerkannte Berufskrankheit bei Landwirten, weil ein Zusammenhang der Krankheit mit dem Umgang von Pestiziden anerkannt ist).
- Verramschte Überschüsse stören Märkte v. a. in Entwicklungsländern
- Wir widersprechen der oft propagierten Ansicht, dass die landwirtschaftliche Erzeugung bis 2050 um 70 % oder mehr gesteigert werden muss, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
- Weniger ist mehr – Alternativen zum „Immer mehr Produzieren“
- Weniger wegwerfen (30% der Lebensmittel werden weggeworfen)
- Nachernteverluste verringern (v. a. in Entwicklungsländern)
- Vernünftige Ernährungsstile v. a. auf Pflanzenbasis (z. B. werden in Europa 60% des Getreides an Tiere verfüttert und zusätzlich große Mengen an Importfuttermittel)
- Flächengebundene Tierhaltung
- Stärkung kleinbäuerlicher Landwirtschaft weltweit v. a. in Entwicklungsländern, wie es der Weltagrarbericht von 2008 fordert; das westliche industrielle Entwicklungsmodell bedarf wegen des hohen Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastung einer entsprechenden Anpassung
- Vorrang der Ernährungssicherung vor der Erzeugung biogener Rohstoffe und biogener Energieträger bei uns und weltweit
Das schlagen wir vor:
- Agrarpolitik mehr als Gesellschaftspolitik begreifen
- Externe Kosten internalisieren, das heißt, dass weitgehend alle Kosten – auch soziale und ökologische Kosten, die bei der Produktion von Gütern oder Dienstleistungen anfallen – in ein Produkt eingepreist werden.
- Vorschlag: Einführung einer allgemeinen CO2-Abgabe, die treibhausgasintensive Prozesse und Produkte belastet. Höhe der Abgabe: beginnend bei 100 €/t CO2-Äquivalent Zusatzabgabe auf problematische Betriebsmittel z. B. wie in Frankreich, Dänemark und Schweden. Ziel muss es sein, Überschüsse zu reduzieren, um dauerhaft gerechte Preise zu erzielen. Mit den Einnahmen aus den Abgaben könnte z. B. auch eigener Eiweißpflanzenanbau gefördert werden
- Mehr und unabhängige Forschung im Bereich Bodenfruchtbarkeit und Risikobewertung von Agrarchemikalien
- Landwirtschaftliche Nutztiere tiergerechter halten.
- Staatliche Förderung nur für Verbesserungen beim Tierwohl und bei der Arbeitswirtschaft
- Die Maßnahmen möglichst weltweit, auf EU- Ebene verbindlich treffen.
- Die Aus-und Fortbildung in der Landwirtschaft an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit ausrichten.
- Der soziale und ökologische „Preis“ der derzeitigen landwirtschaftlichen Praxis erscheint uns in vielen Bereichen als zu hoch. Es gilt zum einen den Teufelskreis von immer mehr produzieren und niedrigen Preisen zu durchbrechen, und zum anderen unsere natürlichen Lebensgrundlagen vor allem auch im Hinblick auf die nachkommenden Generationen zu schonen.
Wir fordern eine Umkehr im umfassenden Sinn, hin zu einer sozial und ökologisch verträglicheren Landwirtschaft. Diese Forderung stellt auch der Papst in seiner Enzyklika und spricht sich für eine gerechte und soziale Weltordnung aus. Eindeutig kommt dies auch im Weltagrarbericht zum Ausdruck, der mit der Schlussaussage endet: „Ein weiter so ist keine Option“. Wir fordern eine Landwirtschaft, die mit möglichst wenig Agrarchemie, Medikamenten und geringen Mengen Mineraldünger auskommt. Dazu gehört eine Landwirtschaft, die mit wenig Zukauffutter den innerbetrieblichen Nährstoffkreislauf schließt und sich den Gegebenheiten der Natur anpasst. Diese Forderung ist von Interessenverbänden und vor allem von der Politik ernsthaft umzusetzen.
(Beschluss der Diözesanversammlung am 20. Februar 2016)