Die KLB von 1951 bis 1976
In der Festschrift zum 50. Verbandsjubiläum blickt Michael Wallner auf die Anfangszeiten und die Geburtsstunde der KLB und den KLB-Pionier Eduard Pletl (im Bild) zurück:
Als einer der noch lebenden Pioniere darf ich aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der KLB in unserer Diözese einen kurzen Rückblick über die Aufbauzeit von 1951 bis 1976 geben – wohl wissend, dass Geschichte etwas Lebendiges ist, immer den Wandel unterworfen und nur aus den Zusammenhängen heraus zu verstehen.
Treibende Kraft für die Weiterentwicklung der KLB zu einer Landvolkbewegung für den Erwachsenenbereich war in unserer Diözese eindeutig der damalige Jugendpfarrer Eduard Pletl, zusammen mit Dr. Emmeran Scharl auf Bayernebene und in Kooperation und Auseinandersetzung mit dem Präsidenten der katholischen Aktion, Dr. Franz Eser. In einmaliger Weise verstand er es, eigenständige Laienarbeit durch freundschaftliche Teamarbeit zu initiieren und zu inspirieren. Seine hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter kamen zum großen Teil aus der Landjugendbewegung und waren mit ihm freundschaftlich verbunden.
Bewegung von oben nach unten
Zuerst wurde 1951 im Rahmen der allgemeinen katholischen Aktion auf Diözesanebene ein Landvolkausschuss gegründet, dem neben den hauptamtlichen Initiatoren Eduard Pletl, Dr. Eser, Generalvikar Dr. Riemer, Alfred Fuchs, Michael Wallner, Jugendpfarrer Geyer auch die Landjugend- und Landfrauenvertreterinnen Therese Krenn und Frau Riederer von Paar, Vertreter der ländlichen Gesellschaft, wie Landwirtschaftsdirektor Brauneis, Bürgermeister Josef Stadler (beide waren dann erste Diözesanvorsitzende), Landtagsabgeordneter Georg Schuster, die Landwirte Rosa Eder (Erste Diözesanvorsitzende), Franz Gerauer und mehrere Landseelsorger angehörten. Sozusagen zum Anschub in der ganzen Diözese sprangen auf Drängen von Eduard Pletl nacheinander zwei ehemalige Diözesanjugendführer als erste Landvolksekretäre ein, 1951 bis 1953 Alfred Fuchs und 1953 bis 1955 ich.
Neben der Ausführung der Beschlüsse des Landvolkausschusses bestand unsere Aufgabe zunächst darin, in der ganzen Diözese so genannte Landvolkgemeinschaften zu gründen. 1955 arbeiteten rund 50 davon. Die theoretische Vorgabe, feste Gruppen mit schriftliche Erklärung, Mitgliedsbeitrag etc., lies sich jedoch auf Dauer nicht durchsetzen. Zu tief saß vor allem bei den Männern der Kriegsgeneration die Abneigung gegen jede „Vereinsmeierei“. Eine verbandsmäßige Weiterführung auf Kreis- und Diözesanebene wurde zunächst gar nicht versucht. Zumindest in der Passauer Hierarchie wollte man die Errungenschaft der Einheit und Einheitlichkeit in der Verfolgungszeit, die sich bei der Jugend in der „Pfarrjugend“ – später „Stamm“ — und beim Laienapostolat der Erwachsenen in der katholischen Aktion ausformte, nicht gerne gegen eine Zersplitterung früheren kirchlichen Vereinslebens aufgeben.
Außerdem bestand auf der Frauenseite auf Pfarreiebene kein besonderes Interesse, neben dem sehr aktiven Frauenbund beziehungsweise deren Landfrauenvertretung noch einen weiteren Verein zu etablieren und die Männer waren damals wie heute sowieso zu Dutzenden in weltlichen Vereinen engagiert. Außer einer verbandsmäßigen Eigenständigkeit auf Kreis- und Diözesanebene konnte sowohl der Landvolkausschuss wie der Landvolksekretär jede nur denkbare Aktivität landspezifischer Pastoral und Laienarbeit entfalten. Nötige Ausgaben wurden von Diözesanleitung ohne zu geizen getragen. Ungezählte Tagungen, Kurse, Einkehrtage, Foren wurden auf Diözesan- und Pfarreiebene organisiert: insbesondere für Kommunalpolitiker, Landseelsorger, Landfrauen, Vereinsvorstände, Lehrer, Vertreter des bäuerlichen Berufs und Pfarrgemeinderäte.
Grundsätzlich waren wir uns in der Diözese Passau zum Unterschied zu Rottenburg-Stuttgart oder mehrerer norddeutscher Diözesen darin einig, dass KLB keine bäuerliche Organisation werden darf. Das ganze Land sahen wir als unser Wirkfeld an. Die berufsständische Vertretung sollte dem Bauernverband überlassen werden. Trotzdem sahen wir uns den bäuerlichen Familien in besonderer Weise verpflichtet und unsere bäuerlichen Verantwortlichen suchten im Bauernverband Verantwortung zu übernehmen. Nur auf Landkreisebene versuchten wir, über das Instrument der bäuerlichen Kreisarbeitsgemeinschaften ein Forum zur Diskussion bäuerlicher Probleme zu schaffen. Im Kreisseminaren wurden darüber hinaus aktuelle Strukturprobleme der ländlichen Gesellschaft, wie Auswirkung der Schulreform, Gebietsreform, der kirchlichen Raumplanung und der bäuerlichen Existenznot aufgegriffen.
Schonungslose Analyse, freie Aussprache und namhafte Referenten wie Innenminister Merk, Erich Geiersberger, Direktor Schneider und Quinger vom BBV, Staatssekretär Vilgertshofer und jedes Mal mit dabei Domkapitular Eduard Pletl, schafften eine wahrscheinlich nicht wiederholbare Atmosphäre. In dieser Aufbruchzeit wurden auf zwei Einrichtungen ins Leben gerufen, die aus der ländlichen Bildungsarbeit nicht mehr wegzudenken sind: die Katholische Landvolkshochschule, gegründet von den damaligen Jugendpfarrern Eduard Pletl und Alois Geyer. Schulleitung wie Ehemaligengemeinschaft waren und sind fest in der KLB integriert. Die Landfrauenwochen in Englburg, von Theresia Wallner ganz klein begonnen und bis 1999 geleitet, schöpfen mit nun fünf Wochen pro Jahr die Kapazität von Englburg voll aus, ein Beispiel dafür, dass sich kontinuierliche geduldige Arbeit erst nach Jahren auszahlt. Nicht vergessen werden soll ein kleiner Kreis, der sich als religiöse Kerngemeinschaft der KL B jedes Jahr einmal zu religiöser und theologischer Vertiefung mit Eduard Pletl traf: die „Bruder Klaus Gemeinschaft“. Sie wurde bis heute von Landvolkpfarrer Lorenz Rauschecker weitergeführt.
Von der Bewegung zum Verband
Erst ab 1965 konnten wir daran gehen, die vielen Initiativen und Aktivitäten in einem offiziellen Diözesanverband mit Satzung und fest umrissenen Strukturen zu sammeln. Auf Ortsebene hatten sich die Landvolkgemeinschaften teilweise aufgelöst, zum Teil umgewandelt in losere Dorfgemeinschaften oder umbenannt in Familiengemeinschaften. Zusammen mit dem Landvolkbeauftragten der Pfarrgemeinderäte beziehungsweise den Vorsitzenden der Sachausschüsse für ländliche Entwicklung stellten Sie den Grundstock der Delegierten zur Kreisversammlung der KLB. Bewusst wurden darum die Kreisdelegierten der Landjugendbewegung, die Landfrauenvereinigung des KDFB und der Ehemaligengemeinschaft der Katholischen Landvolkshochschule als Vollmitglieder integriert.
KLB verstand sich als Bewegung über eigene Gruppenmitglieder hinaus. Es muss jedoch dazu gesagt werden, dass dies von der KLJB selbst nicht immer so gesehen wurde, während die Vertreterinnen der Landfrauenvereinigung ihre Doppelmitgliedschaft durchwegs positiv wahrgenommen haben. Ob Bewegung oder Verband – von Anfang an verstanden sich die KLB als Familienverband. Alle Gremien waren paritätisch und gleichberechtigt von Männern und Frauen besetzt. „Quotenfrauen“ waren nicht nötig. Zum besseren Verständnis möchte ich noch kurz zwei Passauer Besonderheiten skizzieren: das Verhältnis der Pfarrgemeinderäte zur KLB und die Form der Dorfgemeinschaften. Die Dorfgemeinschaften waren nicht künstlich gebildete, sondern natürlich gewachsene Dorfgemeinschaften oder Dorfzusammenschlüsse je nach Größe der Pfarrei bis zu acht sich zusammengehörig fühlende Pfarrgebiete.
Die alte Spinnstubentradition wurde hier aufgegriffen und zum Zwecke der Gemeinschafts- und Bewusstseinsbildung umfunktioniert. Die Versammlungen fanden überwiegend in den Wintermonaten und meist in Bauernstuben statt. Zusammen mit dem Ortsseelsorger und teilweise mit auswärtigen Referenten wurden alle anstehenden Probleme des dörflichen und pfarrlichen Lebens diskutiert. Weder Seminar noch Vortragsform konnten ähnliche Diskussionsfreudigkeit und Anteilnahme erzeugen. Mit zunehmender Überlastung beziehungsweise Dezimierung der Parkseelsorger fiel leider der Hauptgesprächspartner aus. Diese Dorfgemeinschaften wählten aus ihrer Mitte so genannte Dorfverantwortliche, die bis zur Einführung einer allgemeinen Wahl zum Pfarrgemeinderat nach föderativem Prinzip ihr Gebiet sowohl im Pfarrgemeinderat als auch in der Kreisversammlung KLB vertraten.
Heute können solche Dorfverantwortliche für Dörfer, die bei der Wahl leer ausgingen, nur mehr durch Berufung zum Zuge kommen. Die PGR, beziehungsweise Pfarrausschüsse, wie sie damals hießen, waren ursprünglich sogar dazu verpflichtet, die Anliegen der Landvolkbewegung in der Landpfarrei mitzutragen und waren unterstes Ausführungsorgan der KLB-Diözesanstelle. Erst nach Vereinheitlichung der PGR-Satzungen nach der Synode und zunehmende Eigenständigkeit der KLB ging diese enge Verbindung zurück. Um diese Lücke auszufüllen, und die Pfarrverbandsgründungen bewältigen zu können, versuchten wir zum Schluss meiner Amtszeit In jedem Pfarrverband einen Fachausschuss für ländliche Entwicklung aufzubauen. Als aktive Mitstreiter dieser Aufgabe und besonders der Weiterentwicklung der Landpastoral und Pfarrverbandskonzeption sollen für die letzte Etappe meiner Berichtszeit besonders Landvolkpfarrer Lorenz Rauschecker und Landvolkreferent Alois Kaiser erwähnt werden.