Standpunkte
Impulspapier der KLB Bayern "Wandel gestalten: Nähe zu den Menschen - Nähe zu Gott"
"Niederalteicher Thesen" der Katholischen Landvolkbewegung Passau
“Niederalteicher Thesen” der Katholischen Landvolkbewegung Passau
Für wen und was setzen wir uns ein — und warum? Die Niederalteicher Thesen beantworten diese Fragen für alle Wirkungsfelder der KLB Passau. Sie wurden in mehreren Schritten erarbeitet und zuletzt am 21. Mai 2001 vom KLB-Diözesanausschuss als unser Leitbild verabschiedet. Der Leitgedanke kam passenderweise aus der Bibel — “…und das Land steht euch offen.” (Gen. 34,10)
Und das Land steht euch offen…
- für gelingende Familien
- für eine Kirche, die Gott und den Menschen nahe ist
- für glaubwürdige Schöpfungsverantwortung
- für zukunftsfähige Land-Bewirtschaftung
- für lebenswerte Dörfer und Regionen
- für Solidarität in der ‘Einen Welt’
Als KLB sind wir eine Gemeinschaft von Frauen und Männern des Landes, die sich im Glauben an Jesus Christus und im Einsatz für den ländlichen Raum verbunden wissen. In der Begegnung miteinander gewinnen wir Orientierung für unser Leben und werden ermutigt und befähigt zum Handeln in Kirche und Welt.
Und das Land steht euch offen…
… für gelingende Familien: Die Familie ist eine prägende Lebens- und Glaubensgemeinschaft, die uns je nach Familienphase ständig neu fordert und fördert.
Warum?
In der verantwortungsbewussten Familie erfahren Menschen persönliche Annahme und Erfüllung, geschieht die personale Entfaltung von Kindern und werden die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens ge- und erlebt. Dennoch erfährt die Familienarbeit in Gesellschaft und Politik noch immer nicht genug Wertschätzung.
Wie?
Wir sorgen bei eigenen Aktivitäten für eine familienfreundliche Atmosphäre und arbeiten mit an einem kinder- und familienfreundlichen Klima im Dorf, in der Pfarrei, in der Berufs- und Arbeitswelt und in der Schule. Der Wandel von der rollenverteilten Familie zur partnerschaftlichen Ehe und Familie ist sehr herausfordernd. Durch vielfältige Formen des Erfahrungsaustausches, der Bestärkung und spirituellen Orientierung in Partnerschafts‑, Lebens- und Erziehungsfragen begleiten wir die Familien. Wir treten ein für familiengerechte Arbeitsmodelle, z.B. räumlich nahe Teilzeitarbeitsplätze für Väter und Mütter. Eine spürbare finanzielle Förderung, auch als Rentenanspruch des „familien-arbeitenden Elternteils“, dient der notwendigen Anerkennung der gesellschaftlichen Leistung der Familien und als Ausgleich für bestehende Belastungen.
Und das Land steht euch offen…
… für eine Kirche, die Gott und den Menschen nahe ist: Das Leitbild, das sich die Kirche von Passau in ihrem Pastoralplan gegeben hat, dient unserem Handeln als Maßstab. Unser Tun steht im Dienst der Liebe Gottes zu den Menschen und zu der Schöpfung („Gott und den Menschen nahe“).
Warum?
Alles menschliche und christliche Handeln braucht ein geistiges Fundament und eine orientierende, bestärkende Gemeinschaft.
Wie?
Wir fördern das Leben in den Pfarreien und in Gruppierungen, damit Menschen immer wieder ihre Berufung entdecken und sinnerfüllt, verantwortlich und beziehungsreich leben können. Wir treten ein für den Erhalt auch von kleineren Pfarreien im ländlichen Raum als gewachsene, überschaubare geistige Heimat und drängen auf eine kreative Lösung der Gemeindeleitung. Wir erachten das Ehrenamt, die Beteiligung und Verantwortung der Laien als Grundbedingung für lebendige und gelingende Gemeinde.
Und das Land steht euch offen…
… für glaubwürdige Schöpfungsverantwortung: Die Schöpfung ist als erste Offenbarung Gottes uns zugleich Geschenk und Verpflichtung.
Warum?
Unser derzeitiger Umgang mit den Ressourcen bedroht die Lebensgrundlagen für uns und für kommende Generationen. Schöpfung ist Mitwelt; Boden ist mehr als Produktionsfaktor oder Terrain für Planung; Tiere sind Mitgeschöpfe und damit mehr als variables Betriebskapital. Umweltprobleme sind Spiegelbild der Innenweltverfassung von uns Menschen. Umweltzerstörung ist ein Akt menschlicher Selbstzerstörung.
Wie?
Wir brauchen eine neue, bibelorientierte Schöpfungsspiritualität. Wir treten ein für einen sorgsamen und sparsamen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere den nicht erneuerbaren Energie- und Rohstoffvorräten. Knappe Güter sind zu verteuern, insbesondere ist Energie mit einer Energiesteuer zu belegen In allem was wir tun, achten wir auf „enkelverträgliche“, also nachhaltige Produktions‑, Konsum- und Lebensformen. Wir wollen entdecken, dass im Grundgedanken „Mehr Sein als Haben“ die Chance zu einer positiven Lebensgestaltung steckt. Wir befürworten den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger und von Rohstoffen in allen Variationen von direkter und indirekter Sonnenenergienutzung, wie z.B. Biomasse, Voltaik, Wind, Wasser, Geothermie und Kraft-Wärme-Kopplung. Wir bevorzugen überschaubare, dezentrale Anlagen, die in der Regel zukunftsträchtiger sind als wenige zentrale Großprojekte.
Und das Land steht euch offen…
… für eine zukunftsfähige Land-Bewirtschaftung: Unsere bäuerlichen Familienbetriebe sind eine Lebensform, die Leben und Wirtschaften in Ehrfurcht vor der Schöpfung verbindet und damit für die Gesellschaft insgesamt bedeutsam ist.
Warum?
Bauer sein ist mehr als produzieren. Der Wert der bäuerlichen Landwirtschaft geht weit über ihren messbaren Anteil am Brutto-Sozial-Produkt hinaus. Bäuerliche Familienbetriebe ermöglichen unternehmerische Eigenverantwortung. In bäuerlichen Familienbetrieben ist Regionalität eher möglich (Direktvermarktung von Erzeuger zu Verbraucher). Sie stehen für regionale Kreisläufe und lassen eine naturgemäße Ausrichtung der Landbewirtschaftung sowie artgerechte Tierhaltungsformen zu. Bäuerliche Familienbetriebe tragen Sorge für einen gesunden Lebensraum und leisten unverzichtbare landeskulturelle Aufgaben, sind Grundlage für vielfältige wirtschaftliche Entwicklungen in Dörfern und ländlichen Räumen sowie bedeutsame Kulturträger. In bäuerlichen Familien ist nachhaltiges langfristiges Generationendenken immer schon vorhanden gewesen und auch für die Zukunft zu erwarten.
Wie?
Da es die Landwirtschaft mit Lebendigem zu tun hat, sind dessen Grenzen und natürliche Gesetzmäßigkeiten Maßstab jeglichen Wirtschaftens. Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft ist eine integrierte Agrar‑, Umwelt‑, Energie- und Sozialpolitik ebenso erforderlich. Wir setzen auf mehr Anreize zum schöpfungsgerechten Wirtschaften, auf direktere Erzeuger-/Verbraucherwege und auf regionale Zusammenarbeit mit dem mittelständischen Gewerbe. Von bäuerlicher Landwirtschaft erzeugte Nahrung ist im eigentlichen Sinn Lebensmittel und deshalb etwas Wertvolles, das seinen Preis hat. Daraus resultiert ein gerechtes Einkommen für die bäuerlichen Familienbetriebe. Wir setzen auf Eigenverantwortung, um Abhängigkeiten zu vermindern und Lebensqualität zu erhöhen. Dabei verstehen wir unter bäuerlicher Landwirtschaft einen weitestgehend eigenen Betriebs- und Stoffkreislauf (Futter, Gülle, nachwachsende Rohstoffe und Energieträger).
Und das Land steht euch offen…
… für lebenswerte Dörfer und Regionen: Lebenswerte Dörfer, Regionen und ländliche Räume sind Voraussetzung für echte Lebensqualität.
Warum?
Der Wert von Nähe in Bezug auf Landschaft, Nahrung, Produktion, Bildung, Arbeit und Erholung ist vielen Menschen nicht mehr bewusst. Menschliche Nähe als erstrebenswertes Gut ist Voraussetzung für gegenseitige Wertschätzung und damit auch für Wertschöpfung. Unsere Dörfer und Märkte, die Städte und Regionen entwickeln sich dann am besten, wenn sie darauf bauen, dass das „Nahe-liegende“ einen hohen Wert darstellt. Vieles wird erst geschätzt, wenn wir es nicht mehr haben.
Wie?
Wir praktizieren eine Gesprächs- und Streit-Kultur, in der auch Randgruppen ihren Platz haben und zu Wort kommen. Wir bemühen uns um den Ausgleich der Spannungen zwischen Einzelinteresse und Gemeinwohl. Die Integration von Neuzugezogenen ist entscheidend wichtig für das soziale Klima und erfordert von beiden Seiten die Fähigkeit zum Hin-hören und Aufeinander-zu-Gehen. Eine gute Atmosphäre im Dorf, im Markt, in der Stadt ist durch Neid, Missgunst und Streit gefährdet. Wir setzen Offenheit, Transparenz, die Beteiligung aller an den Entscheidungen, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und die Entwicklung eines „WIR-Gefühls“ dagegen. Dieses kann sich am besten in überschaubaren Strukturen in Schulen, Vereinsleben, Pfarreien und Kommunen entfalten.
Und das Land steht euch offen…
… für Solidarität in der „Einen Welt“: Wir sehen uns als Teil der „Einen Welt“ und leisten unseren Beitrag zu echter Solidarität.
Warum?
Wir haben mehr Verantwortung, weil wir durch die Medien und die Globalisierung mehr wissen. Wir haben mehr Möglichkeiten zu helfen. Menschen sollen in ihrer Heimat bleiben und dort wirtschaften und arbeiten können. Solidarität in der „Einen Welt“ heißt sich gegenseitig kulturell bereichern, einander nicht vereinnahmen und voneinander und miteinander lernen.
Wie?
Wir können nicht alles machen, deshalb konzentrieren wir uns vor Ort und als Diözesanverband auf bestimmte konkrete Projekte und Begegnungen wie z.B. mit Senegal, Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, Südafrika. Wir leisten Hilfe als ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ durch Ausbildung und Mitbestimmung in kleinen Schritten sowohl von unten wie von oben. Wir arbeiten mit an der Entwicklung von politischen Rahmenbedingungen, die diese Hilfe unterstützen und nicht beschädigen. Wir treten ein für gleiche Wettbewerbsbedingungen auch im Bereich von sozialen und ökologischen Standards. Wir kaufen fair gehandelte Produkte und sorgen dafür, dass sie weiterverbreitet werden. Wir treten ein für die gerechte Verteilung des ‘Arbeitskuchens’ in unserer eigenen Gesellschaft.