Die KLB von 1976 bis 2001
Entwicklungen und Impulse innerhalb der KLB der Diözese Passau
„Die katholische Landvolkbewegung ist EIN Partner im Bewegungspluralismus auf dem Land“, so Diözesanlandvolkpfarrer Lorenz Rauschecker bei der Diözesanversammlung 1976. Seine folgenden Thesen waren programmatisch und prophetisch: „Morgen wird nur zählen, wer sich und seine Überzeugung einbringt. Morgen wird nur leben können, der sich von einer berufsorientierten Gemeinschaft gestützt weiß. Morgen wird nur glauben, wer sich von einer christlichen Gemeinschaft getragen und gestützt weiß. Morgen wird nur in der Gemeinde mitarbeiten können, wer bereit ist, das miteinander zu tun.“
In den folgenden Jahren gewann bei den Verantwortlichen zunehmend die Überzeugung Gewissheit, dass es noch mehr Räume für Gemeinschaft, Glaubensvertiefung und größere Verbindlichkeit geben solle. Ausdruck dieser Entwicklung war die neue Satzung 1985 mit den Leitsätzen und der Mitgliedserklärung. Seither sind nur Mitglieder wahlberechtigt und wählbar. Im Zuge dieser Entwicklung gab es einige Gruppengründungen auf Pfarrebene und als neue Struktur die Dekanatsebene, insbesondere in den nach der Landkreisreform größer und unüberschaubar gewordenen Landkreisen.
Erwähnenswert ist auch eine erkennbare Familienorientierung. Sie zeigt sich u.a. darin, dass zu immer mehr KLB-Veranstaltungen von Orts- und Diözesanebene Familien mit Kindern eingeladen werden. Da wir uns in der KLB nicht als lichtscheues Gesindel betrachten, spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Rolle. Dabei steht der dreimal jährlich erscheinende KLB-Brief als Drehscheibe für die innerverbandliche Information sowie als Impulsgeber in den kirchlichen Raum, in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im Mittelpunkt.
Reisen bildet, sagt man. Dass Reisen aber nicht nur bildet, sondern auch zu einer tragfähigen Gemeinschaft zusammenschmiedet, bewiesen unsere Pilger- und Studienfahrten nach Flüeli, Israel, Ungarn und in die Tschechoslowakei.
Höhepunkte der KLB-Arbeit waren die Diözesantage 1977 in Niederalteich: „Seid nicht ängstlich besorgt“, 1982 in Parzham: „Der einfache Weg – unsere Zukunft“ und 1987 mit der Einweihung der Bruder Klaus-Statue in Niederalteich: „Kraft aus der Tiefe“.
Entwicklungen und Impulse im Bereich der Diözese Passau
Die Kath. Erwachsenenbildung ist zu einem festen Bestandteil kirchlicher Öffentlichkeit in der Gesellschaft geworden. Als KLB haben wir ständig versucht, unsere Schwerpunktthemen zur Kirche auf dem Land, Landfamilie, Landwirtschaft und ländlicher Raum, Umwelt und Schöpfung, sowie internationale Solidarität einzubringen und unsere Verantwortlichen als Referenten anzubieten.
Als sehr positiv hat sich der gute Kontakt zum Diözesanrat der Katholiken mit seinen Ausschüssen bewährt. So konnten von Zeit zu Zeit auch Diözesanratsvollversammlungen mit unseren Anliegen bestritten werden.
Die Dorfhelferinnen und Betriebshelfer sind nach wie vor eine der tragenden Säulen der KLB-Arbeit. Die zunehmende Nachfrage hat dazu geführt, dass unter tatkräftiger Mithilfe von Michael Wallner der ländliche Familienhilfsdienst mit nebenamtlichen Familienhelferinnen entstand.
Von 1977 bis 1985 tagte 25 Mal der „Niederalteicher Stammtisch“. Er wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, die vorhandenen Kräfte des ländlichen Raumes an einen Tisch zu bringen, in lockerer Atmosphäre gemeinsam berührende Fragen zu besprechen und nach Möglichkeit zu gemeinsamen Interessen zu kommen. Ein wichtiges Instrument zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch und als Sprachrohr der ländlichen katholischen Verbände ist die „Land-Koalition“ aus Landjugend, Landfrauen, Landvolk sowie der Landvolkshochschule St. Gunther in Niederalteich. Höhepunkte dieser Zusammenarbeit waren die beiden Landeskongresse 1986 „Landpastoral“ und 1990 „Eigene Wege braucht das Land“.
Impulse in die KLB-Arbeit auf Landes- und Bundesebene
Die Verantwortlichen der KLB Passau gaben sich zu keiner Zeit damit zufrieden, lediglich innerhalb der eigenen Diözesangrenzen zu wirken. Insbesondere die Bemühungen, den Wert einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft zu schätzen und die Notwendigkeit einer umweltschonenden Art und Weise der Landbewirtschaftung und Tierhaltung erhielten durch die KLB unserer Diözese ständig Anstöße. Die Tonbildschauen „Bäuerliche Landwirtschaft – warum?“, „Macht euch die Erde untertan“ und „Den Garten Europa bebauen“ waren ebenso sichtbarer Ausdruck wie die Kampagnen „Bauer sein heißt mehr als produzieren“ und „Landwirtschaft im Nebenberuf: Übergangslösung oder Lebensform mit Zukunft?“. Ideen, Vorschläge und Forderungen wurden stets über unser bundeweites Führungsorgan „LAND aktuell“ verbreitet.
Internationale Verantwortung
Die seit der Landjugendzeit bestehenden Kontakte zum westafrikanischen Land Senegal sind 1980 durch die Gründung eines eigenen Arbeitskreises auf eine neue Grundlage gestellt worden und seit 1987 bestehen besonders enge Beziehungen zur Diözese St. Louis im Norden Senegals. In diesem Arbeitskreis gab es aber auch schon bald Verbindungen und Hilfsaktionen zu anderen Ländern und Kontinenten, so zum Beispiel zu Uganda, Ghana, Kamerun, Brasilien. Höhepunkt war aber zweifellos die große Aktion „Saatgut für Senegal“ 1984, welche die Folgen einer großen Dürre in unserem Partnerland Senegal spürbar linderte.
Lange vor der politischen Wende in ost- und mitteleuropäischen Ländern hat die KLB Verbindung zu kirchlich nahestehenden Verantwortlichen aufgenommen. Früchte dieses Engagements sind nun die erste Landvolkshochschule in den neuen Bundesländern, die KLVHS Eichsfeld in Uder/Thüringen, die Aktion „Saatgut für freie polnische Bauern“ 1982 und die seit 1990 laufende Vermittlung junger Polinnen und Polen auf hiesige Bauernhöfe und Gartenbaubetriebe. Durch die Ausweitung der internationalen Arbeit hat sich der Arbeitskreis 1990 folgerichtig in „Arbeitskreis Eine Welt“ umbenannt.
Fazit und Ausblick
Trotz der Vielfalt, die in dem Vorherigen zum Ausdruck kommt, sind in der KLB-Arbeit doch einige klare Linien sichtbar; es geht uns um den Menschen
- Als Einzelner in seinen Bedürfnissen, Sorgen, Glück und Leid
- In den Familien des ländlichen Raumes
- In den beruflichen Schichten, insbesondere in der Landwirtschaft
- In seiner Verantwortung im kirchlichen, berufsständischen, kommunalen, gesellschaftlichen und politischen Bereich
- Im zusammenwachsenden Europa
- In den weltweiten Verflechtungen
- Um die Zukunft der Kirche auf dem Land
Aus den vielfältigen Aufgaben scheinen mir folgende Schwerpunkte besonders zukunftsträchtig:
Eine Bewegung lebt von ihren Führungskräften. Dass die KLB in den vergangenen 40 Jahren so lebhaft war, verdankt sie in erster Linie dem bewundernswerten Einsatz vieler ehrenamtlicher Frauen und Männer. Dafür sei an dieser Stelle ein herzliches Vergelt´s Gott gesagt. Die wesentlichen Kraftquellen christlicher Führungskräfte aber sind ein lebendiger Glaube und eine intakte Familie. Erste Aufgabe der KLB muss es deshalb auch in Zukunft sein, diese Kraftquellen nicht versiegen zu lassen, sondern vielmehr ständig daran zu arbeiten. Beste Voraussetzungen hierzu sind die KLB-Gruppe im Dorf und lebendige Verantwortlichenkreise, die mehr sind als nur Beschlussgremien.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Präsenz der KLB in den ländlichen Strukturen wie Pfarrgemeinderat, Bauernverband, in den Vereinen, in der Kommunalpolitik und in den politischen Strukturen. Die Sauerteigwirkung kann sich nicht entfalten, wenn sich unsere Leute lediglich in der Gemeinschaft Gleichgesinnter behaglich einrichten wollten.
Ein weiterer Schwerpunkt ist in den nächsten Jahren aus menschlichen, wirtschaftlichen, politischen und nicht zuletzt christlichen Gründen verstärkt anzupacken: der Blick über den Zaun in Form von Begegnung, Austausch und Teilen mit „Geschwistern“ in Europa und weltweit.
Die KLB von 1991 bis 2001
Interne Umbrüche
Die klassischen Bildungsveranstaltungen zu bestimmten Themen verlieren immer mehr an Interesse und Bedeutung. Dies ist auch verständlich, weil sich das Bildungsniveau unserer Mitglieder und Sympathisanten insgesamt gehoben hat. Andererseits stürmt eine große Informationsflut durch die herkömmlichen und neuen Medien auf den ländlichen Menschen genauso ein wie auf den städtischen. Wie kann man in dieser Informationsfülle Orientierung gewinnen für ein sinnvolles und geglücktes Leben? Diese und ähnliche Fragestellungen in Bildungstagen, Landfrauenwochen, Bauernwochenenden, Pilger- und Studienfahrten finden nach wie vor ungeteiltes Interesse.
Neue Gesichter prägen aber auch das letzte Jahrzehnt in der KLB. Die Pioniergeneration zieht sich allmählich zurück und an ihrer Stelle erscheinen neue Persönlichkeiten, die aber oft unter schwierigen Bedingungen gefunden und gewonnen werden müssen.
Neue Gesichter gibt es auch im hauptamtlichen Bereich: Seit 1. September 1991 betreut Diakon Josef Gruber aus Simbach/Inn mit halber Arbeitsstelle den neu geschaffenen Bereich der Bäuerlichen Familienberatung. Vorausgegangen waren längere Diskussionen, wie sich die Kirche der besonders existenzgefährdeten bäuerlichen Familien annehmen kann.
Nachdem Karl Eichinger 1994 mit der Niederlegung seines Amtes als Diözesanvorsitzender seine Teilzeitbeschäftigung aufgegeben hat, trat zum 1. September 1994 Marianne Tutsch in seine Fußstapfen. Sie ist vor allem für die Frauenarbeit, Betreuung der Landvolkgremien im Landkreis Passau sowie für die Landfrauenwochen verantwortlich.
Nachdem Walter Eber aufgrund seiner schulischen Verpflichtungen seine Tätigkeit in der KLB reduzierte, kam zum 25. November 1999 Theresia Göppinger aus Burgkirchen/Alz – ebenfalls auf Teilzeitbasis – neu ins KLB-Team. Ihr Hauptaufgabenbereich liegt ebenfalls in der Bäuerlichen Familienberatung, darüber hinaus im Aufbau und der Betreuung der KLB im Landkreis Rottal-Inn.
Netzwerke und Projekte
Im selben Maße wie die herkömmliche Gremien- und Bildungsarbeit zurückging, zeigten sich für neue Wege und Arbeitsweisen neue Chancen. So brachte es die KAL-Ost (Katholische Arbeitsgemeinschaft Land – Ostbayern) – eine Verbindung von Landjugend, Landvolk und Landfrauen der Diözesen Passau und Regensburg (zusammen mit der Kath. Landvolkshochschule Niederalteich) zu bemerkenswerten Aktionen. Landkongresse oder die Tonbildschau „Aufbruch in Dorfhausen“ haben deutliche Spuren in Pfarreien und Dörfern hinterlassen.
Gute Erfahrung mit Kooperationen macht seit vielen Jahren die KLB des Landkreises Altötting. Zusammen mit Bauernverband, VIF, Grüner Kreis der KLJB und Kreisbildungswerk wir der alljährliche Bauern- und Landvolktag mit großer öffentlicher Resonanz veranstaltet. Aufgrund dieser Erfahrungen läuft nun schon im dritten Jahr das in Kooperation mit dem Landkreis und dem Kreisbildungswerk veranstaltete Agenda-Forum, womit bereits in der Mehrzahl der Städte und Gemeinden des Landkreises ein überwiegend fruchtbarer nachhaltiger Weg in die Zukunft gesucht wird.
Im kirchlichen Bereich sind viele KLB-Verantwortliche in die pastorale Entwicklung der Diözese Passau eingebunden, um hier die bäuerliche, ländliche und dörfliche Sichtweise einzubringen.
Gerade in der jetzigen Zeit der agrarpolitischen Neuorientierung erweist sich das Ökosoziale Forum Niederalteich als besonders wertvoll. Das sehr locker organisierte „Netzwerk der Hoffnung“ aus agrarischen, ländlichen und kirchlichen Fachleuten Österreichs, Deutschlands und der Schweiz sucht nach Wegen, um einer wirtschaftlich stabilen, ökologisch verträglichen und sozial gesicherten bäuerlichen Landwirtschaft in diesen Ländern, aber natürlich auch darüber hinaus zum Durchbruch zu verhelfen. Die beiden Bücher des Ökosozialen Forums „Aufstand oder Aufbruch – wohin gehen Europas Bauern“ und „Die Bauern nicht dem Weltmarkt opfern – Lebensqualität durch ein europäisches Agrarmodell“ liefern Grundlage und Orientierung für die neue Agrarpolitik.
Internationales Engagement
Nicht zuletzt durch die engagierte Mitarbeit des ehemaligen Entwicklungshelfers Josef Gruber erhielt unsere Partnerschaft mit der senegalesischen Diözese St. Louis neuen Schwung. Sichtbarer Ausdruck hierfür sind eine Reihe von Brunnenprojekten und – in enger Zusammenarbeit mit der Ehemaligen-Gemeinschaft der Kath. Landvolkshochschule – das centre St. Nicolas in Dagatch/Senegal. Einzelne Landvolkverantwortliche oder ihr nahestehende Gruppen engagieren sich aber darüber hinaus auch in Ghana und Südafrika.
Viele freundschaftliche und partnerschaftliche Beziehungen sind im letzten Jahrzehnt auch zu unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarländern gewachsen. Besonders die jährliche Ferienpraktika-Vermittlung mit der polnischen Gesamtagrarschule Podzamcze Checinskie und der südböhmischen Universität Budweis tragen hierzu bei. Aber auch gegenseitige Begegnungstreffen, Studienfahrten und Symposien vertieften das gegenseitige Verständnis und Vertrauen. Höhepunkt war wohl die Landmaschinenaktion 1997/1998, wodurch mit Hilfe der Passauer Neuen Presse ca. 140 gebrauchte Landmaschinen in hochwassergeschädigte Bauernbetriebe an der Oder geliefert werden konnten.
In den letzten Jahren vertieften sich auch immer mehr die Beziehungen zur ungarischen Agraruniversität St. Stephan in Gödöllö. Auch hier ist durch regelmäßigen Gedankenaustausch, Referententätigkeit, Publikationen und Besuche ein bereicherndes Vertrauensverhältnis gewachsen.