Ökosoziales Forum als Impulsgeber
Das ökosoziale Forum Niederalteich wurde 1994 an der Landvolkshochschule gegründet — als „Denkwerkstatt“ von Persönlichkeiten aus verschiedensten Bereichen der Landwirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dieses „Netzwerk der Hoffnung“ will Denkanstöße liefern, insbesondere zur Sicherung der bäuerlichen Landwirtschaft als bedeutendes Kulturgut und zur Entwicklung intakter ländlicher Räume. Die Mitglieder Markus Vogt, Nikola Patzel, Thomas Maier und Sepp Rottenaicher haben ein Statement zur Papst-Enzyklika erarbeitet. Die folgenden zusammenfassenden Auszüge sollen Neugier wecken auf den ganzen Text.
Der Schutz und die Wertschätzung der bäuerlichen Landwirtschaft haben in der Enzyklika Laudato si einen besonderen Stellenwert: Erstens mit Blick auf die Rolle der Kleinbauern bei der Hungerbekämpfung durch Ernährungssouveränität. Besonders die kleinen und mittleren Familienbetriebe liegen dem Papst am Herzen: „Die Größenvorteile, besonders im Agrarsektor, führen schließlich dazu, dass die kleinen Landwirte gezwungen sind, ihr Land zu verkaufen oder ihre herkömmlichen Produktionsweisen aufzugeben.“ (129). Der Papst appelliert hier besonders an die Politik: “Die Verantwortungsträger haben das Recht und die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die Kleinproduzenten und die Produktionsvielfalt klar und nachdrücklich zu unterstützen. Damit es eine wirtschaftliche Freiheit gibt, von der alle effektiv profitieren, kann es manchmal notwendig sein, denen Grenzen zu setzen, die größere Ressourcen und finanzielle Macht besitzen“ (129).
Zweitens wird in der Enzyklika die untrennbare Zusammengehörigkeit kultureller, sozialer und ökologischer Potenziale als Voraussetzung für eine gelingende Naturbeziehung vertreten. Die Enzyklika eröffnet neue Horizonte für interreligiöse Gespräche zur Beziehung zwischen Mensch und Natur anhand konkreter Volksfrömmigkeit in Agrarkulturen. Landwirte sind im täglichen Umgang mit der Natur ihren Mächten derart ausgesetzt, dass eine persönliche Beziehung mit einer spirituellen Dimension als unverzichtbarer Wert gesehen wird. Schöpfungsverantwortung zwischen Schützen und Nützen liegt für Landwirte nahe. In der Darstellung in Laudato si ist die Natur als Schöpfung Gottes nicht nur eine Ansammlung von Ressourcen, sondern eine „Schwester des Menschen“ und ein hochkomplexes Gefüge, von dem der Mensch ein Teil ist. Schöpfungsverantwortung und die Selbstachtung des Menschen gebieten es, dieses Lebensnetz in seinem Eigenwert zu achten und zu schützen. Schon 2003 haben sich die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland für das Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft ausgesprochen, die gleichermaßen ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Aspekte der Landwirtschaft in den Blick nimmt und deren Zusammenspiel als politischen und gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsauftrag versteht. Bis heute ist das Konzept einer multifunktionalen Landwirtschaft als Teil einer dynamischen ländlichen Entwicklung als Schlüsselbereich für eine nachhaltige Entwicklung zu sehen. Allerdings sind bisher Fördermittel in Deutschland, Europa und weltweit einseitig auf die Interessen der industriellen Landwirtschaft ausgerichtet. Ein Paradigmenwechsel im Sinne einer „ganzheitlichen Ökologie“ statt der verengten Alternative „Wachsen oder Weichen“ wird als zukunftsfähig gesehen.
Eine konkrete Anfrage an die Verantwortlichen ist im Text der vier Autoren der Schutz des Bodens. Die rapide Erosion fruchtbarer Böden weltweit sowie die auch bei uns fortschreitende Versiegelung von Flächen sind ein erhebliches Problem für die menschliche Ernährung und die globale Biodiversität. Die Autoren fordern die Politik auf, sich endlich um einen effektiven Bodenschutz mit der Bedeutung eines erstrangigen strategischen Zieles zu kümmern. Abschließend wird neben der Verantwortung jedes einzelnen auf die nicht delegierbare Verantwortung der Kirchen hingewiesen, zum nötigen Bewusstseins- und Wertewandel durch glaubwürdiges Handeln, Bildungsarbeit und internationale Lobbyarbeit für die Armen und für die Anliegen der Schöpfung beizutragen.