Die zehn Gebote zeitgemäß interpretiert

P. R. am 14.05.2020

DSCN9260 JPG Presse JPG zu Johannes Schmidt

Bernhard Suttner referierte beim Besinnungstag der KLB

Thyr­n­au. Höchst aktu­el­le und über­ra­schen­de Inter­pre­ta­tio­nen zu den bibli­schen 10 Gebo­ten stell­te der Bil­dungs­re­fe­rent Bern­hard Sutt­ner aus Wind­berg (Land­kreis Strau­bing-Bogen) beim Besin­nungs­tag der Katho­li­schen Land­volk­be­we­gung (KLB) im Land­kreis Pas­sau vor. Der Kreis­vor­sit­zen­de Johan­nes Schmidt konn­te im Zis­ter­zi­en-serin­nen-Klos­ter St. Josef in Thyr­n­au 26 Frau­en und Män­ner aus den Land­krei­sen Pas­sau und Frey­ung-Gra­fen­au begrüßen.

Auf den ers­ten Blick scheint die­ser 3000 Jah­re alte Text nichts zu den gro­ßen Pro­ble­men des 21. Jahr­hun­derts – Kli­ma­ver­än­de­rung, Umwelt­ver­schmut­zung, Unge­rech­tig­keit im Welt­han­del mit den armen Län­dern — zu sagen zu haben“ stell­te der Refe­rent fest. Bei genaue­rem Nach­den­ken zei­ge sich aber, dass die zehn Gebo­te als Grund­ge­rüst einer Ethik für den All­tag in der moder­nen Zeit äußerst hilf­reich sind. Wir müs­sen kei­ne neu­en Regeln erfin­den; es geht dar­um, die alten Hin­wei­se zeit­ge­mäß zu inter­pre­tie­ren und end­lich ernst zu neh­men! Dabei wur­den in der Tat wur­den die zehn Gebo­te über Gene­ra­tio­nen hin­weg als enges Moral­kor­sett für pri­va­tes Ver­hal­ten inter­pre­tiert“ mein­te der Referent. 

Ein­gangs beton­te Sutt­ner, dass ein Aspekt bei der Vor­stel­lung der zehn Gebo­te viel­fach feh­le: Mit der Erin­ne­rung an die Befrei­ung aus dem Skla­ven­haus Ägyp­tens“ rich­tet sich die Bot­schaft der zehn Gebo­te an freie Men­schen, die für ihr Tun selbst ver­ant­wort­lich sind. Skla­ven haben kei­ne Ver­ant­wor­tung für ihr Han­deln!“ so Suttner. 

Wenn man aber nach den Wer­ten fra­ge, die z.B. durch das 5. Gebot („Nicht mor­den!“) oder auch durch das 7. („Nicht steh­len!“) geschützt wer­den sol­len, öff­ne sich ein wei­ter Hori­zont. Die Abscheu vor Mord, Raub und Tot­schlag reicht nicht aus. Wer die­se Gebo­te wirk­lich ernst nimmt, muss sich um die posi­ti­ve Siche­rung und die För­de­rung des Lebens und sei­ner Grund­la­gen bemü­hen!“. Der Refe­rent nann­te als Bei­spiel den all­täg­li­chen Kon­sum: Wer z.B. beim Genuss einer Tas­se Kaf­fee oder beim Kauf eines Baum­woll-T-Shirts sein Gewis­sen bemüht, kann sehr ins Grü­beln kom­men: Ent­we­der wird er erschre­cken über lebens­feind­li­che Zustän­de auf den Anbau­plan­ta­gen, über Hun­ger­löh­ne, unwür­di­ge Arbeits­um­stän­de und über gefähr­li­che Che­mi­ka­li­en. Oder aber er wird mit Genug­tu­ung fest­stel­len kön­nen, dass auf­grund fai­rer Han­dels­be­zie­hun­gen, guter Arbeits­schutz­ge­set­ze und bio­lo­gi­scher Anbau­me­tho­den das Leben in posi­ti­ver Wei­se geför­dert wird.“ So wer­de eine ein­fa­che Kauf­ent­schei­dung zwi­schen Schnäpp­chen-Super­preis“ oder aber fair und öko­lo­gisch“ zu einer Fra­ge der Beach­tung des 5. und 7. Gebo­tes. Bei­spiel­haft sei hier das Enga­ge­ment der Eine-Welt-Läden“ und vie­ler kirch­li­cher Ver­bän­de und Gemein­den für den fai­ren Han­del. In die­sem Zusam­men­hang ver­wies er auf das dem Bun­des­tag vor­lie­gen­de Lifer­ket­ten­ge­setz. Der Refe­rent zeig­te sich froh und dank­bar“ dafür, dass Papst Fran­zis­kus in sei­ner aktu­el­len Enzy­kli­ka Lau­da­to Si´“ die akti­ve Lie­be zur Schöp­fung und die Absa­ge an einen zer­stö­re­risch-aus­beu­te­ri­schen Lebens­stil“ unmiss­ver­ständ­lich als Chris­ten­pflicht defi­niert habe.

Aus­führ­lich beschäf­tig­te sich Sutt­ner mit dem schwie­ri­gen 1. Gebot“: Es for­dert die aus­schließ­li­che Treue zu Jah­we, der sein Volk aus der Skla­ve­rei befreit hat, warnt vor jeg­li­chem Göt­zen­dienst und weist auf den Fluch böser Taten hin, die sich auch noch auf die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen aus­wir­ken wer­den. Die­ser auf den ers­ten Blick erschre­ckend har­te Text“ erschei­ne ihm wie für uns moder­ne Men­schen geschrie­ben, mein­te Sutt­ner: Moder­ne Göt­zen – das sind die vom Men­schen selbst gemach­ten und ver­ab­so­lu­tier­ten ideo­lo­gi­schen Sys­te­me, deren Aus­wir­kun­gen als Fluch noch auf den künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen las­ten wer­den“ stell­te Sutt­ner fest. Jeder­mann müs­se sich fra­gen, wel­che Göt­zen er anbe­te. Das kann auch das Auto sein, das Akti­en­de­pot oder der Kon­sum­rausch. Oder auch der zer­stö­re­ri­sche Lebens­stil, der Boden, Was­ser, Luft und Pflan­zen­grün ver­schmut­ze und bedro­he und die Son­ne nicht als Ener­gie­quel­le nütze. 

Das drit­te Gebot der Sab­bat­ru­he“ ist eigent­lich eine Auf­for­de­rung dazu, sich frei zu machen von allen Pflich­ten und ruhig ein­mal die Füße hoch zu lagern und nichts zu tun. Es ist die Auf­for­de­rung, dem Arbeits­stress zu ent­flie­hen und sich der Muße zu wid­men. Nicht gemeint ist aller­dings damit, sich in einen Frei­zeit­stress mit lau­ter Events zu stür­zen. Der Mensch braucht auch Pha­sen der Ruhe. Nur unter Strom“ zu ste­hen in Arbeit und Frei­zeit mache krank und pro­du­zie­re burn-out“.

Als Kern-Bot­schaft der Zehn Gebo­te stell­te Sutt­ner des­halb fest: Hüte dich vor dem Ver­lust der geis­ti­gen Frei­heit; stel­le dich der Ver­ant­wor­tung bei allen dei­nen Ent­schei­dun­gen und las­se dich ange­sichts der gro­ßen Welt­pro­ble­me nicht zur Resi­gna­ti­on ver­füh­ren.“ Wir sind, die es unse­ren Enkeln und Uren­keln schul­dig, alles dafür zu tun, den Pla­ne­ten als guten Ort zum Leben zu erhal­ten. Vor allem müs­se der Ener­gie­ver­brauch radi­kal gesenkt und auf erneu­er­ba­re Sys­te­me umge­stellt wer­den. Sutt­ner: Wer über ein ver­ant­wort­ba­res Maß hin­aus uner­setz­li­che Lebens­vor­aus­set­zun­gen wie z.B. den frucht­ba­ren Boden, das Trink­was­ser, die Arten­viel­falt und die Atmo­sphä­re belas­tet oder zer­stört, begeht im eigent­li­chen Sinn Dieb­stahl, weil er den künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen die Lebens­chan­cen weg­nimmt!“ So ver­schwen­de­risch wei­ter zu wirt­schaf­ten, wie wir das heu­te ganz selbst­ver­ständ­lich tun, trei­be die Erde und die Mensch­heit in wahr­schein­lich unlös­ba­re Probleme. 

Sutt­ner warn­te vor einer Pri­va­ti­sie­rung der Ethik“ nur im klei­nen Fami­li­en­kreis. Er plä­dier­te für eine Wie­der­be­le­bung des sozi­al­ethi­schen Enga­ge­ments auf allen Ebe­nen – auch und gera­de in der Kir­che“. Die ganz gro­ßen Pro­ble­me sind mit rein pri­va­ten Ver­hal­tens­än­de­run­gen nicht zu bewäl­ti­gen: So sehr ich für die klei­nen pri­va­ten Schrit­te plä­die­re, so sehr weiß ich auch, dass sozia­le Gerech­tig­keit und Kli­ma­schutz ohne bes­se­re Gesetz­ge­bung und Rah­men­set­zung für die Wirt­schaft nicht erreicht wer­den kön­nen.“ Auf die-sem Feld kön­nen vor allem die Ver­bän­de den Boden berei­ten. Sozia­le und öko­lo­gi­sche Min­dest­stan­dards müss­ten welt­weit durch­ge­setzt wer­den, um die Wer­te der zehn Gebo­te zu sichern. Aber auch im eige­nen Land gebe es viel zu tun: Dass die einen trotz har­ter Arbeit mit Mini­löh­nen aus­kom­men müs­sen, wäh­rend ande­re unvor­stell­ba­ren Reich­tü­mer auf­häu­fen wider­spricht einer guten sozia­len Ord­nung, die seit jeher von der kirch­li­chen Sozi­al­leh­re ein­ge­for­dert wird.“ 

Mit einem erfri­schen­den“ Got­tes­dienst, den Pfar­rer I. R. Alo­is Anets­eder zele­brier­te, klang der Besin­nungs­tag der KLB zur Fas­ten­zeit aus. 

Text und Fotos: Johan­nes Schmidt (Kreis­vor­sit­zen­der)

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