Der Vorstand der Katholischen Landvolkbewegung im Bistum Passau hat sich mit dem geplanten Mercosur-Abkommen der EU mit einigen südamerikanischen Staaten befasst und ist zu dem Schluss gekommen, dieses abzulehnen. Um die Ablehnung zu unterstreichen, wurde ein offener Brief an Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei versendet sowie örtliche Landes- und Bundestagsabgeordnete angeschrieben.
Der Brief an Manfred Weber im Wortlaut:
Als Christen sind wir davon überzeugt, dass der Vertrag eine menschen- und umweltfeindliche Agrar- und Rohstoffproduktion nicht nur fördert, sondern sogar wachsen lässt zum Nachteil von einheimischen bäuerlichen Familienbetrieben, indigenen Völkern, Kleinbauernfamilien in Amazonien und von Umwelt und Klima. Wie soll mit immer mehr Freihandel die Erfüllung der SDGs bis 2030 gelingen und die Klimaschutzziele von Paris ohne verbindliche Umweltrichtlinien eingehalten werden?”
Der Vertrag fördert in den Mercosur-Staaten zunehmende Exporte von Soja als Futtermittel, Zucker und dem daraus produzierten Bioethanol-Treibstoff, sowie Rind- und Geflügelfleisch nach Europa zu Preisen, mit denen unsere produzierende Landwirtschaft nicht konkurrieren kann. Darüber hinaus werden diese billigen Güter und Rohstoffe zu Umwelt- und Sozialbedingungen produziert, die nicht unseren Standards und christlichen Werten Europas entsprechen. Es kann uns nicht egal sein, unter welchen Bedingungen Produkte außerhalb Europas produziert werden. Wo sind die verbindlichen, einklagbaren Vereinbarungen hierzu? Begünstigt werden auch die Exporte von Rohstoffen wie Kohle und Metallerzen nach Europa, oft unter Sklaverei ähnlichen Arbeitsbedingungen für die Arbeiter. Diese gesamte industrielle Wirtschaftsstruktur wirkt als Haupttreiber für die Abholzung des Regenwaldes und damit die Zerstörung eines weltweit bedeutenden Ökosystems, Treibhausgasemissionen, Landvertreibungen von indigenen Völkern und Kleinbauern. Damit einher gehen Menschenrechts- und Landrechtsverletzungen bis hin zu Auftragsmorden. Die Landbewohner und indigenen Völker sind die Leidtragenden einer Politik, von der unser Papst Franziskus zu recht sagt: „Diese Wirtschaft tötet!“ Vergeblich sucht man in diesem Abkommen nach verbindlichen Menschenrechts- und Umweltstandards. Diese wirtschaftspolitische Praxis zu unterstützen, kann nicht die Absicht der Europäischen Union sein! Sie tritt unsere europäisch-christlichen Werte mit Füßen und macht uns, sollte das Abkommen in Kraft gesetzt werden, total unglaubwürdig.
Leidtragende dieses Abkommens sind auch die bäuerlichen Familienbetriebe in Europa. Aufgrund der unterschiedlichen Sozial- und Umweltstandards können unsere Bauern nicht mit den südamerikanischen Fleisch- und Futtermittelimporten konkurrieren. So wird durch diese Politik das „Bauernsterben“ von landwirtschaftlichen Familienbetrieben in Europa noch beschleunigt. Es kämen durch diese Importe auch auf die Masse der Verbraucher Umwelt- und Gesundheitsprobleme zu, denn auf den Großflächen Amazoniens werden Pestizide und Chemikalien eingesetzt, die in Deutschland und Europa längst verboten sind, weil als gesundheitsschädlich bekannt. Bekannt geworden sind auch vorsätzliche Giftbesprühungen von Siedlungen von Indigenen- und Kleinbauerndörfern mit Gesundheitsschäden und Todesfolgen! Und was ist mit den Pestizidrückständen in importierten Lebensmitteln? Wie kann es überhaupt sei, dass in der EU verbotene Giftstoffe weiter produziert und in andere Länder exportiert werden dürfen?
Leidtragend wird auch die gesamte Weltbevölkerung sein, denn wenn durch die Abholzung des Regenwaldes in Amazonien das Weltklima nachhaltig geschädigt wird, büßen wir das alle. Nach den jüngsten Informationen der brasilianischen Weltraumbehörde IMPE waren die Jahre 2019 und 2020 die schlimmsten Abholzungsjahre. Damit bestätigt sich, dass das Abkommen als Brandbeschleuniger der Regenwaldrodungen funktioniert! Welche Katastrophen dadurch auf die Menschheit zukommen, ist noch unbekannt. Will die EU dafür mitverantwortlich sein? Profiteure dieses Abkommens sind nach unserer Meinung nur Großagrarier in den Mercosur-Staaten, sowie der Agrobusinesskomplex in beiden Kontinenten, die Fleisch- und Futtermittelkonzerne, die chemische Industrie und auch die Stahl‑, Automobil- und Maschinenindustrie in Europa durch billige Importe von Rohstoffen. So ist diese Industrie auf mehrfache Weise beteiligt an der Landvertreibung der indigenen Bevölkerung und der Vernichtung der Regenwälder. Damit würde eine postkoloniale Rollenteilung zwischen den südamerikanischen Großgrundbesitzern und Rohstoffexporteuren und europäischen Herstellern von Industrieerzeugnissen zementiert. Das ist weder gerecht noch nachhaltig! Und wir alle in Europa machen uns mitschuldig am Elend großer Teile der Bevölkerung in den südamerikanischen Ländern.
Ein Handelsabkommen sollte nur abgeschlossen werden, wenn es der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, dem Klimaschutz und dem Schutz der Menschen- und Indigenenrechte dient. Das geplante Mercosur-Abkommen entspricht nicht diesen Anforderungen und Standards. Hilfreich wäre hier ein europäisches Lieferkettengesetz, das die Unternehmen auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet und einklagbar ist. Der vorgelegte Entwurf der Mercosur-Staaten mit der EU gehört in der vorliegenden Ausführung entschieden abgelehnt, da er nicht unseren europäischen und christlichen Wertvorstellungen entspricht. Ein Handelsabkommen, das vor allem den Produzenten von Autos, Pestiziden und Soja nutzt, zu Lasten der Bevölkerung in beiden Kontinenten geht, Indigene und deren Territorien, Ökosysteme und das Weltklima durch Regenwaldvernichtung nachhaltig schädigt, kann nicht unsere Unterstützung und Zustimmung finden und sollte auch nicht von den Länderparlamenten beschlossen werden. Die KLB Passau fordert insbesondere die EVP auf, sich für ein ökologisches, soziales und nachhaltiges Mercosur-Abkommen einzusetzen, das den Menschenrechten entspricht und langfristig für ein einklagbares europäisches Lieferkettengesetz.