Nachdem die Corona-Pandemie erneut lange bestehende – und bekannte – Missstände öffentlich machte, hat die Bundesregierung mit ihrem heutigen Beschluss, Werkverträge in Schlachthöfen zu unterbinden, zumindest schnell und folgerichtig gehandelt. Ob dies ausreicht, vom Bundestag mitgetragen wird und rechtlich Bestand hat, muss sich erst noch zeigen. Schon werden Stimmen laut, die dies Verbot als zu weitreichend bezeichnen oder es sogar als einen Verstoß gegen das Übermaßverbot sehen. Dies zeigt, dass es nicht leicht wird die beabsichtigten Regelungen tatsächlich zu beschließen. Dabei darf Folgendes nicht vergessen werden: wenn über die Vergabe von Werkverträgen das Kerngeschäft eines Betriebes erfüllt wird, weist dies auf eine Ausnutzung von Menschen über Lohndumping hin.
All dies ist ein Ausdruck eines Wirtschaftssystems, bei dem mit geringen Kosten der größtmögliche Gewinn erzielt werden soll. Unsere viel gepriesene soziale Marktwirtschaft wird unter diesen Bedingungen immer mehr zur Makulatur und widerspricht den Prinzipien der christlichen Soziallehre. Die hohe Anzahl von Werksverträgen hebelt unser Sozialsystem aus. Ein Verbot scheint das einzige Mittel zu sein, dieses System einzudämmen.
Darüber hinaus haben wir alle die Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen, die unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen dafür sorgen, dass wir unser billiges Schnitzel fein säuberlich zerlegt auf den Tisch bekommen, in den Blick zu nehmen. Die KLB Deutschland mahnt seit vielen Jahren ein genaues Hinschauen jedes Einzelnen und eine Veränderung der Rahmenbedingungen an. Hierbei geht es nicht allein um Werkverträge, Mindestlohn, Unterkunft, Verlagerung von Verantwortlichkeiten. Wir alle sind in die Pflicht genommen, unsere Anspruchshaltung und unseren Konsum zu hinterfragen – mit Blick auf die Menschenwürde, aber auch mit Blick auf einen würdevollen Umgang mit unseren Nutztieren, so Nicole Podlinski und Korbinian Obermayer, Bundesvorsitzende der KLB.
Daher fordern wir erneut alle Beteiligten auf, weiterzudenken:
1. Unsere Sozialgesetzgebung und Arbeitsrechte sind nicht Schwachstelle, sondern Standortvorteil, weil sie den Menschen als Menschen sehen und nicht nur als Objekt zur Realisierung von Gewinnen. Wir erwarten von allen Verantwortlichen die Einhaltung der Arbeit- und Gesundheitsschutzvorgaben, sowie die Kontrolle der Verordnungen bei der Unterbringung der Beschäftigten durch die Behörden vor Ort kontrolliert und die Abstellung der Mängel. Die Arbeitsinspektion in Deutschland ist hierfür ein gutes Instrument, welches besser ausgerüstet werden muss.
2. Immer größer, immer weiter, … vor allem weiter so, ist keine Möglichkeit, eine gute Zukunft für uns, unsere Kinder und alle Menschen auf der Welt zu gestalten.
3. Wir müssen uns auf Strukturen besinnen, die kleiner und regional verankert sind. Das gilt auch und vielleicht insbesondere für die Fleischproduktion – von der Haltung auf den Höfen bis hin zur Schlachtung in einem Betrieb in der Region. Vor allem in Bezug auf ein besseres Tierseuchenkrisenmanagement und für besseres Tierwohl sind dezentrale Strukturen von Vorteil.
4. Das bedeutet, dass wir uns gerade in der Landwirtschaft von einer Politik verabschieden müssen, die es kleineren bäuerlichen Familienbetrieben unmöglich macht, einen auskömmlichen landwirtschaftlichen Betrieb zu bewirtschaften. Dies gilt angefangen von Boden- und Pachtpreisen bis hin zu den Dumpingpreisen für Fleisch und andere landwirtschaftliche Produkte.
5. Auch wir Verbraucherinnen und Verbraucher sind in der Pflicht, für Lebensmittel angemessene Preise zu zahlen. Wichtig ist, dass das Geld auch bei den Landwirtinnen und Landwirten ankommt und nicht auf dem Weg dahin von anderen vereinnahmt wird.
Den erkrankten Arbeitenden und ihren Familien wünschen wir eine schnelle Genesung und die Unterstützung, die sie nun benötigen und ihnen guttut.
Bad Honnef, den 20. Mai 2020